Weinstein - Makel oder Qualitätsmerkmal?

Weinstein - Makel oder Qualitätsmerkmal?

12. November 2025Jan Zientarra

Das oft verkannte Qualitätsmerkmal im Wein

Weinstein, oft fälschlicherweise als Makel oder Zeichen mangelhafter Qualität im Wein angesehen, ist in Wahrheit ein natürliches Phänomen, das auf eine schonende und traditionelle Weinherstellung hinweisen kann. Diese Abhandlung beleuchtet die Natur des Weinsteins und argumentiert, warum sein Vorkommen in der Flasche als positives Indiz für die Authentizität und Qualität eines Weines gewertet werden sollte.

 

Die Natürliche Entstehung von Weinstein

Weinstein ist chemisch gesehen ein Salz, genauer gesagt Kaliumhydrogentartrat oder Calciumtartrat, welches sich aus der im Wein natürlich vorkommenden Weinsäure und den Mineralien Kalium und Calcium bildet.

  • Vergleich mit Naturphänomenen: Der Prozess der Weinsteinbildung ist vergleichbar mit der Ausfällung von Mineralien in hartem Wasser (Kalk), die bei Temperaturschwankungen oder Konzentrationsänderungen in Lösung gesättigt sind. Im Wein geschieht dies, wenn die Löslichkeit der Tartrate überschritten wird.

  • Auslöser: Die Ausfällung wird typischerweise durch niedrige Lagertemperaturen (oder Temperaturschwankungen) begünstigt, da sich die Löslichkeit der Salze bei Kälte verringert. Die Kristalle haften sich dann entweder am Boden oder an der Korkunterseite der Flasche an.

 

Weinstein als Indikator für schonende Verarbeitung

Das Vorhandensein von Weinstein ist kein Anzeichen für einen schlechten Wein, sondern vielmehr ein Beleg dafür, dass der Winzer während des Herstellungsprozesses bewusst auf eine aggressive, chemische oder technische Stabilisierung verzichtet hat.

  • Verzicht auf Kaltstabilisierung: Um die Bildung von Weinstein zu verhindern, unterziehen viele Produzenten, insbesondere bei preiswerteren Weinen oder solchen für den Massenmarkt, den Wein einer Kaltstabilisierung. Hierbei wird der Wein für längere Zeit auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt, um die Kristalle vor der Abfüllung auszufällen und zu entfernen.

  • Chemische Stabilisierung: Alternativ können chemische Zusätze verwendet werden, um die Auskristallisierung der Tartrate zu verhindern.

  • Qualitätsmerkmal: Das Fehlen dieser Eingriffe bedeutet, dass der Wein in seinem natürlichen Gleichgewicht belassen wurde. Bei handwerklich hergestellten Weinen wird dies oft als ein Zeichen für Authentizität und eine Philosophie der minimalen Intervention angesehen. Weinstein kann somit indirekt auf eine höhere Qualität der Herstellung hindeuten, da der Wein weniger bearbeitet wurde.

 

Keine Beeinträchtigung des Genusses

Ein zentraler Punkt ist die geringe bis nicht existente Auswirkung des Weinsteins auf die sensorischen Eigenschaften des Weines.

  • Geschmacksneutralität: Die Kristalle sind geschmacks- und geruchsneutral. Sie beeinflussen weder das Aroma noch den eigentlichen Geschmack des Weines. Die Furcht, Weinstein würde den Wein sauer oder bitter machen, ist unbegründet.

  • Gesundheitliche Unbedenklichkeit: Weinstein ist absolut gesundheitlich unbedenklich und kann bedenkenlos konsumiert werden. Es handelt sich um ein natürliches Nebenprodukt.

  • Textur (Die einzige Einschränkung): Die Kristalle können beim Trinken lediglich ein unangenehmes Gefühl in der Textur vermitteln, ähnlich feinem Sand. Sie sind jedoch leicht löslich. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, Weine mit sichtbarem Weinstein vorsichtig zu dekantieren oder behutsam einzuschenken, sodass der Bodensatz in der Flasche verbleibt.

 

Fazit: Weinstein neu bewerten

Weinstein sollte nicht als Mangel, sondern als natürliches Begleitprodukt eines authentischen Weines betrachtet werden. Anstatt auf mangelnde Qualität hinzuweisen, kann sein Vorkommen als Indiz für eine schonende, natürliche und weniger industrialisierte Weinherstellung dienen. Für den bewussten Weingenießer ist Weinstein somit oft ein stilles Qualitätsmerkmal, das auf einen Wein hindeutet, der mit Respekt vor seinen natürlichen Inhaltsstoffen und seinem ursprünglichen Gleichgewicht abgefüllt wurde.

In diesem Sinne, viel Spaß im Glas und bis bald bei uns im Store!

Jan Zientarra

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